Montag, Februar 18, 2008

neununddreißig minuten

Liebes Pädagogisches Tagebuch, heute war Praktikumsbeginn. Start: 6:00 Uhr! Exakt um diese Uhrzeit klingelte der Wecker des auf dem Schreibtisch liegenden Handys und zwang mich zum Abstieg aus meinem wohlig-warmen Hochbett. Zwar beginnt der Unterricht in der Kreativitätsgrundschule Leipzig erst 8:00 Uhr, doch war ein derart früheres Aufstehen vonnöten angesichts der (1) eher-da-sein-und-guten-Eindruck-hinterlassen-viertel-Stunde, (2) eingeplanten 25 Minuten Fahrt vom Zentrum-West nach Schönefeld (also durch die halbe Stadt), (3) knapp 22 Minuten zum frühstücken und Proviant vorbereiten, (4) 19 Minuten zum Gesicht waschen und – ebenfalls für guten Eindruck – Barthaare stutzen, sowie (5) und wichtigstens: die verbliebenen 39 Minuten für ein paar letzte Vorbereitungen zum eigentlichen Praktikum, also Lesen worum es eigentlich gehen soll. Selbstverständlich war ich bereit, schon am ersten Tag aussagekräftige und rhetorisch ansprechende Antworten geben zu können, falls konkrete Fragen von Seiten der Lehrperson aufkommen sollten. Rein theoretisch hätte ich mir jedoch die letzten 39 Minuten sparen können, denn wirklich neue Erkenntnisse erschlossen sich mir in dieser morgendlichen Stunde dann doch nicht mehr. Überraschend war das nicht, in Anbetracht dieser unchristlichen Zeit (6:19 Uhr – 6:58 Uhr). Durchaus etwas überraschend empfand ich hingegen die leichte Verwirrung ob meiner Ankunft in der Schule um ca. 7:39 Uhr, bzw. 7:50 Uhr als ich endlich einen offiziellen Vertreter der Schule im Gewirr der zu Hunderten von ihren Eltern herangekarrten Kinder auffinden konnte. Die Verwirrung rührte allerdings nicht von meiner (geplanten) Überpünktlichkeit her, sondern von der schulseitigen Annahme, meine Wenigkeit würde erst eine Woche später auftauchen. Dementsprechend provisorisch war meine Unterbringung in einer vierten Klasse und damit einhergehend die völlige Abwesenheit konkreter Nachfragen zum Sinn und Unsinn meines Praktikums. Die 39 Minuten intensiver Vorbereitung kurz nach dem Aufstehen hätte ich mir also tatsächlich schenken können, zumal eh kein Wissenszuwachs daraus hervorging. Stattdessen wäre zur Vorbereitung ein halbes Stündchen mehr Schlaf wohl angebrachter gewesen... Montag früh um acht in der 4b über Drogen reden ist schon ganz schön harter Tobak. Dazu immer schön nicken und freundlich lächeln, wenn die Lehrerin den Kleinen erzählt wie schlimm doch die Drogen sind, obwohl man sie am Vorabend selbst noch konsumiert hat (selbstverständlich nur die legalen!!!) - schlägt dann doch etwas auf den Magen und das Gewissen. Das Pausenklingeln, welches eher an das nervige Gehupe des über die Dörfer fahrenden Bäckerwagens erinnert, befreite mich endlich aus dieser misslichen Lage. Die nächste Stunde versprach da unverfänglicher zu sein – Mathematik. Dass allerdings ausgerechnet heute selbstständiges Arbeiten an verschiedenen Stationen auf dem Plan stehen musste! Wie die Kinder mit einer Hingabe und Disziplin daran arbeiteten, erzeugte eine Ruhe im Raum die meine Augen immer stärker anschwellen ließ und mir die verlorene halbe Stunde Schlaf an diesem noch so jungen Morgen ins Gedächtnis rief. Glücklicherweise scheint die Gesamtheit der Pädagogen dem schwarzen Heißgetränk mit belebender Wirkung sehr zugeneigt und auch die engagierten Klassenlehrerinnen Frau Kilian und Frau Weder stellen da keine Ausnahme dar. Deren Freundlichkeit mir einen Kaffee anzubieten rettete mich auch noch über die zweite und dritte Unterrichtseinheit, so dass es mir ein Leichtes war letztlich hoch aufmerksam der vierten Stunde beizuwohnen. Der Inhalt tat sein Übriges, denn es handelte sich um eine der – in meiner Erinnerung immer sehr beliebten – Orga-Stunden: Hinweis auf die Hofpausenordnung, Projektwoche, Klassenleiterwahl und all diese Sachen hatten und haben von jeher einen hohen Unterhaltungswert.
Endlich war es soweit, die Mittagspause war genaht. Neben der Zeit sich draußen die Beine zu vertreten, bot diese Oase in der Wüste des langen Schulalltags auch die Möglichkeit, die auf beiden Seiten sträflich vernachlässigte Vorbereitung nachzuholen; ich traf die Schulleiterin. Professionell und pragmatisch handelten wir die Modalitäten für mein Praktikum aus. Ab morgen, so alles klappt, wird die Klasse 2b zu meiner neuen Aufgabe...

2 Comments:

Blogger Philipp said...

Pädagogisches Tagebuch.... soso.
Da bist Du je jetzt echt an einer Elite-Schmiede untergebrcht, wa?
Also, wenn man die Seite der Schule so ansieht, dsnn hat man fast den Eindruck, gerade einem Scientology-Ableger ins Netz zu gehen. Frag doch mal die Schüler, wie`s um ihr Thetan steht...?
Und ich bin gespannt auf Deinen Bericht über den Schulfasching, der ja morgen stattfinden dürfte ;o)

8:33 AM  
Blogger jens said...

von dem fasching hab ich irgendwie noch gar nix mitgekriegt... naja, was solls.
in anbetracht des an der schule zu zahlenden schulgeldes und dem entsprechend angezogenem klientel ist deine vermutung einer 'elite-schmiede' auch nicht ganz falsch. wiederum stelle ich aber bereits nach dem zweiten tag fest, dass trotz der wirklich optimalen bedingungen da auch nur mit wasser gekocht wird-- es steht und fällt wie immer mit dem leherer. nur kann eben eine klassenstärke von 20 schülern mit zweit lehreren solche probleme besser ausbügeln, zumal angehörige wirklich bildungsferner bevölkerungsschichten ihre kinder da auch nicht hinschicken (können)....... wirklich sektenmäßig gehts da aber nich ab, oder habs noch nicht mitgekriegt. die kinder sind wie überall die selben liebenswerten kloppis.

3:18 PM  

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